15. März 2021

Ein ganz legales Geschäftsmodell

Stellen Sie sich vor, Sie wären Immobilienspekulant!

Was brauchen Sie als persönliche Voraussetzung? Das Fehlen eines sozialen, gesellschaftlichen Gewissens, mathematische Grundkenntnisse und einen ausreichenden, liquiden Kreditrahmen.

Besitzen sie diese Voraussetzungen können sie mit der Grundfrage beginnen:

Wie kann ich den maximalen Profit aus einem Immobilienkauf erreichen, ohne dass sich Mietpreisbremse, Milieuschutz und Umwandlungsgesetz störend auf meine maximale Rendite auswirkt?

Sie suchen sich als Immobilie ein Mehrfamilienhaus in bester, zentraler Lage mit ausgezeichneter Infrastruktur und hohem Interesse von Seiten neuer Käufer. Gerne dürfen auch alle Wohnungen vermietet sein.
Weitere Schlüsselvoraussetzungen sind:

  • Die Wohnungen Ihrer Immobilie sind schon vor Jahren in Eigentumswohnungen umgewandelt worden, besitzen dadurch keinen Umwandlungsschutz mehr.
  • Das Haus oder Gebäudekomplex selbst hat eine alte Bausubstanz (Stuck wäre von Vorteil) und ist durchschnittlich renovierungsbedürftig, sodass Sie einen niedrigen Kaufpreis erzielen können.

Was habe Sie dann noch zu tun, bevor es zum Kauf Ihrer Immobilie geht?

Sie finden eine liquide Käuferklientel, die keine Skrupel hat, Bestandsmieter mit juristischer Unterstützung aus bestehenden Mietverhältnissen zu verdrängen und heraus zu klagen.
Ist auch diese Voraussetzung positiv beschieden, kann die Immobilie zum Verkauf aufgehübscht werden.

Wie machen Sie das am kostengünstigsten?

Sie sanieren lediglich die Fassade, die Fenster und den Hausflur Ihrer Immobilie, sodass diese „kosmetische Schönheitsinstandsetzung“ das Auge des neuen Käufers überzeugen wird. Diese Instandsetzung lassen Sie von einer Firma durchführen, die Ihnen den günstigsten Preis anbietet.

Und wie verkaufen Sie mit dem geringsten Kontakt zum Verkaufsprozess?

Sie suchen sich einen überzeugenden, rhetorisch begabten Makler, der nicht die Gesamtimmobilie verkauft, sondern die einzelnen Eigentumswohnungen („Pretty-Women-Effekt“), was Ihnen und dem Makler noch einen größeren Profit verspricht Sie fragen sich bestimmt:

Wie kommen denn die neuen Eigentümer der Eigentumswohnung in die Wohnung, wenn noch alte Mieter darin wohnen?

Ganz einfach: Mit einer Eigenbedarfsklage, die von vorneherein zur Ihrer Verkaufsstrategie gehört. Denn es geht ja bei Ihrer Strategie nicht um ein Angebot für ein Anlageobjekt. Dafür ist die Immobilie zu teuer und die Rendite zu gering. Die neuen Käufer sollen direkt selbst Mieter werden.
Da es keinen Umwandlungsschutz gibt, haben die alten Mieter lediglich die normalen Kündigungsfristen (3, 6, 9 Monate). Im Maximalfall, wenn der alte Mieter klagt, können die neuen Eigentümer nach 1 ½ Jahren in ihre erworbene Eigentumswohnung einziehen.

Sie denken: „Das ist ja unglaublich!“
Und fragen sich: „Ist das denn alles legal?“
Antwort: „Ja.“ Bisher.

Wie kann man solch ein Geschäftsmodell verhindern?

Es entsteht ja kein neuer Wohnraum, alte Mieter werden verdrängt, die demographische Zusammensetzung des Kiezes wird nachhaltig verändert.

Einzige Lösung: Änderung des Mietrechts.

Welche Änderung wäre dringend notwendig?

  • Es müsste verhindert werden, dass man bei vermieteten Eigentumswohnungen direkt nach Verkauf als neuer Eigentümer eine Eigenbedarfskündigung stellen darf.

Was sollte das Minimalziel sein?

  • Alte Mieter*innen haben mindestens für 10 Jahre nach Neuverkauf Kündigungsschutz. Erhoffter Effekt:
  • Alte Mieter*innen werden nicht verdrängt.
  • Die demographisch, gewachsene Struktur des Kiezes bleibt intakt.
  • Immobilienspekulanten werden dazu angeregt, in Neubauten zu investieren.

Die Wahlen stehen an. Einige Parteien haben solch eine Novellierung des Mietrechts in ihrem Parteiprogramm. Andere nicht.

T.P.