Vertreibung aus dem Kiez
2. Dezember 2020

Vertreibung aus dem Kiez

Langsam kommen die erste Besichtigungstermine mitten in der Coronazeit! Schlimm genug, dass wir uns kaum mit Familie und Freunden treffen können/dürfen, dafür müssen wir wildfremde Menschen in unserer Wohnungen lassen, die uns dann, so bald sie die neuen Herren unserer 4 Wände sind, die Kündigung wegen Eigenbedarf zukommen  lassen. Dafür haben wir monatelang mit Gerüst vor dem Haus und Baulärm um uns herum gelebt.

Wir leben hier seit Jahren und Jahrzehnten. 12 Jahre, 25 Jahre, 31 Jahre … 38 Jahre! Klar verwurzelt man in der Zeit, warum auch nicht? Warum immer wieder umziehen? In der Jugend ist das noch interessant, man will ja viel sehen. Mit Familie und Kindern wird man meistens sowieso sesshaft, aber auch Singles und Paare kommen auch mal gerne an, sammeln Kram und Bücher und die Lust auf Umzug schwindet. Man kennt die Nachbarn, hat Freunde um die Ecke, die Kinder und Enkel wohnen vielleicht ein paar Strassen weiter.

Urplötzlich droht das alles wegzubrechen, die Wohnung wird demnächst einer Privatperson gehören, die natürlich ihr Eigentum nutzen möchte. Man weiss, dass da schon jemand wohnt, wenn man die Wohnung kauft, aber der Markler sagte ja, das sei kein Problem, spätestens nach 9 Monaten ist die Wohnung frei. Es wird so dargestellt, als ob die Mieter dann freiwillig abziehen, weil das Recht ist ja so, es gibt da Fristen und man ist ja nur Mieter …. Geld regiert die Welt.

Das Problem wäre auch nicht so groß, gäbe es die Möglichkeit eine vergleichbare Wohnung im Kiez zu findet. Leider sind die Käufer nicht  verpflichtet, für solch einen Ausgleich zu sorgen. Die armen Reichen müssen ja auch schon so viel Geld für die Wohnung zahlen und dann noch Markler, Notar und die ganze Renovierung, da bleibt dann nichts mehr über für andere.

Jemanden wegen Eigenbedarf zu kündigen ist allerdings nicht ganz so einfach, wie die Markler es gerne darstellen. Die Mieter können der Kündigung wiedersprechen, gerade wenn sie schon so lange in ihrer Wohnung wohnen. Die meisten von uns werden es sicher tun.